Archiv Grossratsberichte

Hier finden Sie die Grossratsberichte aus dem Jahr 2016

Ansprache von Ueli Johner, Alterspräsident der Legislatur 2017-2021

Eröffnung der Session 15. Dezember 2016

Sehr geehrte Damen und Herren Staatsräte,
Werte Grossrätinnen und Grossräte,
Madame la Secrétaire générale du Grand Conseil,

Herr Stellvertretender Generalsekretär des Grossen Rates,
Madame et Monsieur les Huissiers

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Administration des Grossen Rates,

Madame la Chancellière de l’Etat,

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Staatskanzlei,

Geschätzte Vertreterinnen und Vertreter der Medien,

Werte Angehörige und Publikum aus allen Regionen unseres Kantons.

Als Alterspräsident fällt mir die Ehre zu, die konstituierende Sitzung zu eröffnen.

Die Glocke, die ich heute zur Eröffnung der Sitzung in der Hand halten darf, wartet einmal mehr auf die Präsidentinnen und Präsidenten die unserem Parlament vorstehen werden.

Die Wahlen sind vorbei, die Vorbereitungen getroffen;

wir stehen heute am Anfang der Legislatur 2017/ 2021.

Diese kleine aber wichtige Glocke erinnert mich an das seinerzeit in der Schule gelernte „Lied von der Glocke“, vom deutschen Dichter Friederich von Schiller.

Das Lied an die Glocken, die uns Menschen auf vielen Stationen unseres Lebensweges begleiten.

Die erste Betrachtung passt wunderbar zum heutigen Tag.

Zum Werke, das wir ernst bereiten,

geziemt sich wohl ein ernstes Wort;

Wenn gute Reden sie begleiten,

dann fliesst die Arbeit munter fort.

So lass uns jetzt mit Fleiss betrachten,

was durch die schwache Kraft entspringt,

den schlechten Mann muss man verachten,

der nie bedacht, was er vollbringt,

das ist’s ja was den Menschen zieret,

und dazu ward ihm der Verstand,

dass er im innern Herzen spüret,

was er erschafft mit seiner Hand.

Le chant de la cloche de Friedrich von Schiller.

A l’œuvre gravement entreprise,

Conviennent certes de graves pensées ;

Lorsque de sages paroles l’accompagnent,

Glisse, joyeux, l’ouvrage en avant.

Voyons donc avec attention,

Ce qui surgira de la faible force;

Mépris à l’ouvrier insouciant

Qui jamais ne médite ce qu’il œuvre.

C’est pourtant ce qui ennoblit l’homme.

Et, pour ce, lui fut donnée la raison.

Qu’en son for intime, il ressente

Ce qu’il gesta de sa main.

Wir alle haben uns heute im Rathaus in unserem ehrwürdigen Grossratssaal versammelt um die neue Legislatur zu beginnen, die Validierungen und Vereidigungen der Abgeordneten und der Regierung zu vollziehen.

Welch ein feierlicher Tag heute, welch grosser Moment für uns alle.

Allen Neugewählten und Wiedergewählten meine herzliche Gratulation.

In Gedanken bin ich aber auch bei unseren 13 ehemaligen, nicht wiedergewählten Kolleginnen und Kollegen, die sicher gerne wieder unter uns wären.

Unsere Zusammensetzung ist das Abbild unseres Kantons, der verschiedenen Regionen, der verschiedenen Kulturen, der verschiedenen politischen Parteien, der verschiedenen Generationen, der Minderheiten und Mehrheiten.

Vor genau fünfzig Jahren stand auch ein Grossrat aus Kerzers an dieser Stelle und waltete als Alterspräsident seines Amtes.

Jakob Fürst hat damals bedauert, dass noch keine Frauen im Rat mit dabei sein konnten.

Heute sind dreiunddreissig Grossrätinnen gewählt;

er hätte sicher seine helle Freude.

Ein vorbildliches Beispiel für die Frauenvertretung stellt der Seebezirk dar, wo von dreizehn Sitzen deren acht von Frauen besetzt sind… und das ohne Quotenregelung.

In seiner damaligen Eröffnungsansprache hat Jakob Fürst, der sichtlich beeindruckt war von unserem schönen Grossratssaal gesagt, ich zitiere:

Als im Jahr 1685 der Doge von Genua sich an den Hof von Versailles begab, um seine Entschuldigung im Zusammenhang mit einem Akt der Seeräuberei vorzubringen, wurde er über die Eindrücke befragt, die die Gärten und Säulen des aufwendigen Palastes auf ihn machten.

  • Was erstaunt Sie am meisten in Versailles, Sir?
  • Mich hier zu sehen antwortete der Doge.

Ich nehme an, dass wir hundertdreissig ähnliche Gefühle haben wie der Doge von Genua.

Was uns am meisten erstaunt, in diesem schönen Saale des Grossen Rates, – ist, – uns hier zu sehen.“

Ende Zitat.

Auch ich bin immer wieder beeindruckt vom Sitzungssaal, den Glasfenstern, mit Herzog Berchtold IV von Zähringen, dem Staatsmann und Schultheissen Petermann de Faucigny, der in den Burgunderkriegen 1476 in Grandson und Murten die Freiburger Truppen kommandierte.

Den andern Bildscheiben und natürlich für mich das

Bildnis von Landammann Louis d‘ Affry, welcher der Überlieferung nach dafür verantwortlich sein soll, das Murten heute zum Kanton Freiburg und nicht zu Bern gehört.

Aber besonders gefällt mir das 1776 gemalte Deckengemälde von Gottfried Locher,

das den Regierungswagen der Republik Freiburg, umgeben von den Tugenden und Verwirklichungen einer guten Regierung darstellt.

Ein Gemälde, das getreu die Doktrin des damaligen Patriziates aufzeigt.

La peinture officielle la plus éloquente de notre Ancien Régime. Reflet fidèle de la doctrine du patriciat, elle tente de démontrer que la République de Fribourg est un régime de droit divin.

L’avoyer régnant qui est le chef de l’Etat trône sur un char de triomphe, juste au-dessus de l’oeil de Dieu, qui lui seul donne la légimité de son pouvoir. Tout autour sont groupés les vertus et les effets du bon gouvernement de la République.

Auch wenn unsere heutige demokratische Staatsform nicht mehr mit dem Patriziat und dem damaligen Regierungsverständnis vergleichbar ist, dürfen wir uns aber immer wieder an diesem wundervollen Gemälde erfreuen.

Unser Grossratsaal hat schon mehrmals Retuschen und Änderungen erfahren, strahlt aber immer wieder in altem Glanz.

Als letzte Anpassungen wurden vor fünf Jahren die Pulte neu mit modernen Mikrofonen, der elektronischen Abstimmungsanlage mit den beiden grossen Bildschirmen auf denen Abänderungsanträge projiziert und die Resultate der Abstimmungen sichtbar gemacht werden ausgerüstet.

In der kommenden Legislatur werden wir einen weiteren Schritt in die Moderne unseres elektronischen Zeitalters machen, das im privaten, wie im geschäftlichen Leben so vieles, für uns Ältere manchmal kaum Nachvollziehbares, verändert hat.

Der Grosse Rat hat entschieden auf einen papierlosen Ratsbetrieb umzustellen.

Ja werte Damen und Herren unser Parlament ist, wie die Gesellschaft, deren Abbild wir sind, beweglich und anpassungsfähig.

Le mot Parlement vient de «parlare».

On parle en effet beaucoup dans ces murs.

Or quand quelqu’un parle – un ou une collègue, un rapporteur ou un membre du Conseil d’Etat –, les autres devraient l’écouter. Sinon, cela ne sert à rien de parler.

Il n’est hélas pas toujours facile de bien saisir ce qui se dit au Grand Conseil de notre canton bilingue de Fribourg.

Il n’est pas simple de comprendre la teneur précise des interventions dans l’autre langue officielle.

En outre, le vocabulaire politique est parfois différent du français ou de l’allemand appris à l’école, ou de la langue de tous les jours.

C’est pourquoi nous disposons depuis dix ans à chaque pupitre – et je le dis surtout en pensant aux 30 nouveaux membres du Grand Conseil – d’écouteurs avec traduction simultanée des délibérations.

Accessoirement, s’il y a du bruit dans la salle, ce qui est parfois le cas, les écouteurs fonctionnent comme haut-parleur privé…

Permettez-moi de vous citer deux ou trois interventions du Bulletin officiel de la session où il a été décidé d’introduire la traduction simultanée. On y voit que cette prestation, qui fonctionne parfaitement aujourd’hui, était alors controversée.

Certaines personnes dans la salle se souviennent certainement encore de cette discussion.

« Monsieur le Rapporteur nous a demandé au début de ce débat, de poser les question en français.

Ist das nicht ein Zeichen, das eine Simultanübersetzung nützlich wäre ? »

« Für uns Deutschfreiburger kann übrigens manchmal schon das Hochdeutsch eine Fremdsprache sein. »

« Der Staatsrat ist der Meinung, dass die simultane Übersetzung kein gutes Zeichen ist für einen zweisprachigen Kanton. Die Erziehungsdirektion wird bald ein Projekt präsentieren für eine mehr aktive Lehre der andern Sprache durch Immersion. »

« Ich will mich bemühen auf Deutsch zu antworten. Entschuldigen Sie mein Deutsch.  Wäre es nicht besser, wenn wir uns alle etwas mehr Mühe geben würden, einander besser zu verstehen. Maintenat je continue en français…»

« Wir sind stolz, unsern Regierungskollegen in andern Kantonen sagen zu können, dass wir keine Übersetzung haben in unserem Parlament. »

Je pense qu’au cours de ces dix années, on est parvenu à une meilleure acceptation de la traduction simultanée et qu’on s’est habitués à mettre les écouteurs. Je vous recommande donc vivement de faire usage de cette possibilité. Il est parfois pire de ne comprendre qu’à moitié ou de travers que de ne rien comprendre du tout.

La recommandation ne s’adresse naturellement pas à nos collègues parfaitement bilingues.

Meine Damen und Herren, unser zweisprachiger Kanton in dem man den immer wieder zitierten Röstigraben überquert, ist in der Schweiz als der Brücken-Kanton bekannt.

Diese unsere Kulturen verbindenden Brücken kennen wir aber im wahrsten Sinne des Wortes.

Der letzte grosse Brückenschlag, das neue Wahrzeichen von Freiburg, die Poyabrücke, nimmt in einer neuen Form wieder das Prinzip der alten Hängebrücken, die Freiburg seinerzeit prägten, auf.

Welche Emotionen hatte ich beim Betonieren der letzten zwei Meter, dem Einfügens des symbolischen Schlusssteines. Oder die erste Überquerung durch die beiden Schulklassen, die aneinander vorbeimarschierten, Glückwünsche und kleine Geschenke austauschten, die eine Klasse von der Seite des Sensebezirks her, die andere von der Seite des Saanebezirks.

Dieses neue Wahrzeichen von Freiburg, dieses den Saanegraben überspannendes Bauwerk lässt schon heute die Kostenüberschreitung der ursprünglichen Schätzung nicht vergessen jedoch in den Hintergrund treten.

Unser Kanton, wird von zwei Autobahnen durchquert; diese gute Anbindung an die ganze Schweiz und

die immer besser ausgebauten Verbindungen des öffentlichen Verkehrs bietet grosses Potenzial, das es zu nutzen gilt.

Eingebettet zwischen dem Arc lémanique und der Hauptstadtregion Bern bieten sich exzellente Möglichkeiten für Gewerbe, Dienstleistungen und Industrie an; wir müssen sie nur noch vermehrt ausbauen und davon profitieren.

Mit dem neuen Raumplanungsgesetz, das zwar noch der vollen Umsetzung bedarf, haben wir die Möglichkeiten mit der vom Kanton geförderten aktiven Bodenpolitik, mit Beiträgen der neuen Regionalpolitik und weiteren Massnahmen die Ansiedelung von neuen Betrieben zu fördern und somit auch Arbeitsplätze zu generieren.

Wie unsere vielfältige Landschaft, mit den Bergen, den Seen, den touristischen Sehenswürdigkeiten, dürfen wir mit lauter Stimme auch unsere kulinarischen Spezialitäten rühmen.

Mitverantwortlich und prägend ist auch unsere, im Kanton verwurzelte traditionelle Landwirtschaft.

Die Milchwirtschaft, die Käsefabrikation, der Ackerbau, die Spezialbetriebe im Seebezirk mit Gemüsebau und an der Freiburger Riviera, dem Vully, der Weinbau. Unser Kanton ist ein Paradies, in dem es sich lohnt zu arbeiten und zu leben.

Aber nicht genug, unseren vier Kulturen, die im vergangenen Sommer am Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest in Estavayer-le-Lac bei der Eröffnung in der grossen Arena so wunderbar zum Ausdruck gebracht wurden, bieten eine solche Vielfalt, einen solchen Reichtum, wofür wir in der ganzen Schweiz, ja in der ganzen Welt bewundert und benieden werden.

Als Seebezirkler weiss ich wovon ich spreche.

Bedingt durch die Geschichte, die bis vor die Burgunderkriege zurückgeht, durch den Untergang der alten Schweiz 1798, die

Mediationsakte und die Territorialreform von 1848 ist das alte reformierte Murtenbiet, die ehemalige Gemeinsame Herrschaft von Bern und Freiburg zum Seebezirk geworden. Der Bezirk ist ein Konglomerat, wo die in unserem Kanton eigenen vier Kulturen, eine kleine Schweiz auf engstem Raum bilden.

Wir haben damit absolut keine Probleme, im Gegenteil die Zweisprachigkeit ist eine Bereicherung, sie wird nicht nur gepredigt, empfohlen oder was auch immer, sondern tagtäglich aktiv gelebt wird.

Mit dieser Aussage möchte ich auch Ihr Verständnis und Ihre Sensibilität wecken für die Besonderheit meines Bezirks.

Es gilt dennoch die grossen Herausforderungen, die auf uns warten zu bewältigen.

Einige sind voraussehbar oder schon in der Pipeline, andere und auch Unvorhergesehenes werden neu auf uns zukommen.

Als Jakob Fürst vor fünfzig Jahren seine Ansprache hielt befand sich die Welt im Kalten Krieg, zwischen den dominierenden Blöcken Ost und West.

Heute ist der damalige Eiserne Vorhang Vergangenheit, der ersehnte, ja erhoffte Weltfriede ist aber nicht eingetreten. Wir stehen nach meiner Einschätzung jetzt und heute vor einer anderen, nicht weniger heiklen Situation.

Ich würde meinen dass die Weltlage im Moment sogar unberechenbarer ist als vor fünfzig Jahren.

Sei dies die Entwicklungen in Europa, in Amerika, im Nahen und mittleren Osten, in Asien, China oder in den Schwellenländern.

Wir alle wissen nicht, wie sich dies alles, aber auch die Märkte in der Globalisierung weiterentwickeln werden.

Die Flüchtlingswellen die aus kriegerischen, aber auch sozial bedingten Ereignissen entstandenen sind, betreffen nicht nur Europa und die Schweiz, auch unser Kanton ist betroffen und gefordert.

Geben wir Schutzbedürftigen, was bei uns eh und je gebräuchlich war und ist, Unterkunft und Asyl.

Lassen wir uns aber nicht von Flüchtlingen aus total andern Kulturkreisen, die in ihren Ländern nicht den ersehnten Wohlstand finden, bedrängen und verdrängen.

Ich weiss, dies ist ein heikles Thema, aber diese Herausforderung wird uns die nächsten Jahre sicher noch, ob wir wollen oder nicht, in hohem Mass beschäftigen.

Tragen wir in unserem Paradies Kanton Freiburg, zu unseren Traditionen und Wurzeln, zu unseren Errungenschaften, zu unseren Lehr- und Bildungsstätten, zu unserem Gesundheitswesen, zu unseren Arbeitsplätzen Sorge.

Sie, werte Kolleginnen und Kollegen, können mit ihrer Mitarbeit in diesem Parlament dazu einen Beitrag leisten.

Liebe Grossrätinnen und Grossräte, Sie sind die Vertreter Ihrer Region, Ihres Bezirkes, gewählt um deren Anliegen einzubringen, zu verteidigen oder möglichst durchzusetzen.

Aber auch gewählt um die Kohäsion des Kantons in seiner aussergewöhnlichen Vielfältigkeit zu garantieren oder zumindest nicht zu gefährden.

Gewählt die Geschicke und Interessen des ganzen Kantons wahrzunehmen.

Also seien wir solidarisch mit den Zentren, den Agglo’s aber auch mit den ländlichen und peripheren Regionen und den Minderheiten.

Morgen werden uns die Glocken der Kathedrale im Festzug begleiten und zum ökumenischen Gottesdienst rufen;

ich möchte aber schon heute unseren Kanton, unsere Bevölkerung und unsere Arbeit in diesem Saale unter den Schutz Gottes stellen.

Das Symbol der Dreieinigkeit im Deckengemälde von Gottfried Locher leuchtet auch uns bei der Arbeit, wie es dies seit 240 Jahren tut.

Die konstituierende Sitzung ist eröffnet.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Ueli Johner-Etter, Alterspräsident